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21. Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“: Probleme grüner Energiepolitik sichtbar gemacht


Der 21. internationale Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ in Berlin offenbarte das ganze Dilemma der europäischen, aber auch der deutschen Energiepolitik:

  • Bürokraten in Brüssel, Berlin und Bonn, die offensichtlich nie einen Spaten in der Hand hatten, wollen mit immer neuen Vorschriften den Landwirten, die teilweise ihre über Jahrhunderte in Familienbesitz befindlichen Ländereien nutzen, erklären, wie Landwirtschaft geht.
  • Argumentativ eher hilflose Vortragende aus Brüssel, die den drängenden Fragen zum Irrweg der EU-Klimapolitik der anwesenden 660 Kongressteilnehmer aus 31 Nationen anscheinend überhaupt nicht gewachsen waren und Fehlentwicklungen in den Vorhaben des Bundesumweltministeriums, Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse aus der Anrechenbarkeit zur THG-Quote herauszunehmen, lösten mehr als heftige Kritik aus.
  • Völliges Unverständnis erntete die Untätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, der Bundesregierung und der EU-Kommissionhinsichtlich der mutmaßlich gefälschten Importe von Biodiesel aus China, die in Deutschland zur erheblichen Marktverwerfungen geführt haben.

Trotz all der Probleme: Ein Transparent vor dem Messeeingang zur parallel stattfindenden „Grünen Woche“ in Berlin, schaffte es doch noch, dem einen oder anderen Kongressteilnehmer mit der Aufschrift „ALLESFRESSER WILLKOMMEN“ ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

 

„Allesfresser Willkommen!" war auf dem Transparent am Eingang der Grünen Woche in Berlin zu lesen. Hier fand auch der Begrüßungsabend des Kongresses statt. (Bild: Wolfgang Kröger)

Schon die Auftaktveranstaltung mit namhaften Teilnehmern machte das Konfliktpotenzial zwischen Politik und Praxis deutlich. (Bild: Wolfgang Kröger)

Eine Ohrfeige für die Klimapolitik der EU: In einer Live-Abstimmung sprachen sich 76 % der Energieexperten des Kongresses „Kraftstoffe der Zukunft“ gegen die EU-Klimapolitik aus. Was Elmar Baumann vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie in seiner Meinung bestätigte, sollte Frau Dr. Anita Breyer vom BMUV zu denken geben. (Bild: Wolfgang Kröger)

In seinem Vortrag hob Prof. Dr. Thomas Garbe, u. a. zuständig für die Antriebsentwicklung bei Volkswagen, die Möglichkeiten der Automobilhersteller zur Emissionsreduzierung über Kraftstoffe hervor: Ein großer Teil des Energiebedarfs ließe sich schon heute über Biofuels abdecken, bei eFuels heißt es „Coming soon…". (Bild: Wolfgang Kröger)

 

Artur Auernhammer, Vorsitzender des Vorstandes des Bundesverbandes Bioenergie e. V., konnte mit dem Verlauf des Kongresses mehr als zufrieden sein. (Bild: Wolfgang Kröger)

 

Vom „Allesfresser“ hinsichtlich der Argumente von Teilen der Politik hatten sich die meisten Teilnehmer im Laufe der Veranstaltung so weit entfernt wie ein Veganer vom „g‘scheiten Schweinsbraten“. Der geneigte Zuhörer konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei man politisch und praktisch in unterschiedlichen Parallelwelten unterwegs. Vor diesem Hintergrund kam die Abschlusserklärung des Kongresses dann noch halbwegs diplomatisch daher:

 

Diplomatische Abschlusserklärung

„Das Resümee des zweitägigen Kongresses: Um den enormen fossilen Energieeinsatz in Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr schnell zu reduzieren, muss ein ambitionierter und vor allem technologieoffener Ausbau aller erneuerbarer Antriebsoptionen wie Biokraftstoffe, E-Fuels und E-Mobilität oberste Priorität haben.

 

1,3 Mrd. Fahrzeuge brauchen Kraftstoffe

Die Teilnehmer des Kongresses senden die klare Botschaft, dass mit Blick auf den Aufholbedarf beim Klimaschutz im Verkehr und den weltweiten Fahrzeugbestand von rund 1,3 Mrd. Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor an einem Hochlauf alternativer Kraftstoffe kein Weg vorbeiführt. Auch wenn Elektrofahrzeuge zukünftig die Pkw-Neuzulassungen dominieren, werden Klimaschutzlösungen für nicht-elektrifizierbare Einsatzbereiche wie Luft- und Schifffahrt, Maschinen in Land- und Forstwirtschaft oder den Schwerlastverkehr sowie den Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotor benötigt. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Bioenergie, Artur Auernhammer, betonte zur Kongresseröffnung, dass nachhaltige Biokraftstoffe wie Biodiesel, Bioethanol oder Biomethan aktuell den größten Klimaschutzbeitrag im Verkehr leisten, zukünftig aber noch weitere Optionen wie E-Fuels und HVO hinzukommen müssten, die in der bestehenden Infrastruktur eingesetzt werden können. Beim Kongress wurde deutlich, dass Kraftstoffhersteller und Fahrzeugindustrie bereitstehen, um mehr nachhaltige Kraftstoffe einzusetzen.

Die von der EU mit dem Green Deal gesetzten Rahmenbedingungen stellen erstmals einen vollständigen Regelungsrahmen für den gesamten Verkehrsbereich ohne Mineralöl inklusive der Infrastruktur bereit. Die Experten aus Wissenschaft und Unternehmen waren sich einig, dass ein technologieoffener Ansatz für Flottengrenzwerte und eine umfassende Treibhausgasbilanzierung aller Antriebsstränge entscheidend ist, um schnelle und umfassende Treibhausgasreduzierungen und somit Klimaschutzziele zu erreichen.

Angesichts der Untätigkeit von EUKommission und Bundesregierung zur Aufklärung und Eindämmung der mutmaßlich gefälschten Importe von angeblich fortschrittlichem Biodiesel aus China äußerten die Kongressteilnehmer unmissverständlich ihren Unmut. Sie machten deutlich, dass die seit etwa einem Jahr andauernden Marktverwerfungen durch diese Importe Investitionen in alle Formen erneuerbarer Mobilität gleichermaßen gefährden.

 

„Irritiert“ vom Umweltministerium

Mit Blick auf die nationale Politik für erneuerbare Kraftstoffe zeigten sich die Kongressteilnehmer irritiert über das fortbestehende Vorhaben des Bundesumweltministeriums (BMUV), Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse aus der Anrechenbarkeit auf die Treibhausgasminderungsquote zu nehmen. Die Branche ist zudem besorgt über Pläne des Ministeriums, das in den Entwürfen für eine nationale Biomassestrategie ein Absenken des Beitrags zum Klimaschutz im Verkehr von Biokraftstoffe der ersten Generation vorschlägt. Der bereits letztes Jahr von anderen Bundesministerien abgelehnte Vorschlag gefährde die Planungssicherheit der Branche und verhindere verlässliche politische Rahmenbedingungen, die Grundpfeiler für Forschung und Innovation bei erneuerbaren Kraftstoffen seien.“

 

Fake-News „Tank oder Teller“

Um Klartext zu reden: Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse leisten einen wesentlichen Beitrag zur Treibhausgasreduzierung. Gäbe es beispielsweise an den deutschen Tankstellen analog zu Österreich und vielen anderen europäischen Ländern überwiegend Ottokraftstoffe der Sorte E 10 mit einem echten Anteil von 10 % Ethanol und nicht „bis zu 10 %“, würde das einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgase in Deutschland leisten, zumal mehr als 99 % aller Pkw (mit Ottomotor) in Deutschland nach einer Studie der HTW-Saar bereits E 10 vertragen. Der Kraftstoff kostet sechs Cent weniger als E 5 und leistet trotzdem seinen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz. Die immer wieder gern vorgebrachte „Tank-oder-Teller“-Diskussion greift nicht, da beispielsweise beim Weizen zur Ethanolherstellung Futterweizen als Grundsubstanz dient, der nach deutscher Backwarenverordnung nicht zu Herstellung von Backwaren Verwendung finden darf. Futterweizen – um es vereinfacht zu erklären – fällt immer dann an, wenn die äußeren Bedingungen für den Weizenanbau in einer Wachstumsperiode sich eher ungünstig darstellten und die Inhaltsstoffe des einzelnen Weizenkorns nicht für den Backprozess geeignet sind. Er wird – wie es der Name schon sagt – als Viehfutter verwendet. Zieht man während des Vergärungsprozesses die Stärke aus dem Getreide, reichert sich das Protein auf die zweieinhalb- bis dreifache Menge des Ursprungsproduktes an, wie die sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft in Untersuchungen feststellte. Damit entsteht neben Ethanol und weiteren Stoffen ein hochwertiges Viehfutter. Fraglich bleibt nur, warum diese Tatsachen in bestimmten politischen Kreisen so schwer vermittelbar sind.

 

Skandal: Biodiesel aus China

Ein weiterer Aufreger, der sich fast wie ein roter Faden durch den Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ zog: Biodiesel als China! Zum besseren Verständnis hier die Erklärung des Sachverhalts: China „überschwemmt“ derzeit den deutschen Markt mit günstigem und angeblich „fortschrittlichem“ Biodiesel, der – so die Chinesen – beispielsweise aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt sein soll. Dieses Produkt kann dann zur deutschen Treibhausgasquoten-Handelsplattform Nabisy angemeldet werden und beschert den Käufern dadurch erhebliche Zusatzeinnahmen. Inverkehrbringer von Kraftstoffen, in der Regel die Mineralölunternehmen, sind verpflichtet, den fossilen Kraftstoffen eine bestimmte Menge Biokraftstoffe beizumischen. Wer diese Quote nicht erfüllt, kann Quote von Unternehmen erwerben, die ihre Quote übererfüllen. Da aber, bedingt durch die mutmaßlich gefälschten Importe aus China ein Überangebot an Bioquote besteht, sinken die Quotenpreise von 540 Euro auf 120 Euro, was den Verkaufspreis von HVO beispielsweise um ca. 30 Cent pro Liter beeinflusst. Allerdings auch, und das scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, u. a. die THG-Quote, die Nutzer von E-Fahrzeugen jährlich erhalten oder die Finanzierung von Großprojekten, die mit einem wesentlich höheren Quotenpreis ihre Rentabilitätsberechnung aufgestellt haben.

 

Die Rolle des ISCC

Was passiert in China? Es wird aufgrund der exportierten Mengen sicherlich nicht ohne Grund gemutmaßt, dass Palmöl aus den üblichen Anbauregionen nach China exportiert wird. Dort deklariert man es wahrscheinlich um und schafft es dann als fortschrittlichen Biodiesel unter anderem nach Deutschland, wo dann im Prinzip aus Palmöl bestehender Biodiesel als fortschrittlicher Biodiesel aus Rest- und Abfallstoffen in die THG-Quote einfließt. Die entsprechenden Zertifikate stellt der Kölner Zertifizierer ISCC aus. Der müsste eigentlich die Vorgänge vor Ort in China überwachen, kann es aber nicht, weil Mitarbeiter des ISCC keine Visa für China erhalten und eine Überwachung in persona vor Ort nicht möglich ist.

Eine ebenso unrühmliche Rolle wie ISCC spielen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und das BMUV – beide übrigens von den Grünen geführt. Sie sind Mitglieder genau der Partei, die vor Jahren gegen Palmöl Front machte, als es opportun war und man in Affenkostümen in Straßenbahnen demonstrierte. Für sie wäre es ein leichtes Spiel, zunächst einmal die Anrechenbarkeit der China-Produkte auf die THG-Quote in Nabisy als fortschrittliche Biokraftstoffe auszusetzen, bis eine Überprüfung von Ort möglich wäre. Doch weit gefehlt. Statt entschlossen zu agieren, reicht man den „Schwarzen Peter“ weiter an die EU und versteckt sich, trotz der Tatsache, dass das Nabisy-System auf nationaler Ebene geführt wird, hinter zweifelhaften EU-Regularien. Kurzum – es passiert nichts.

 

Regress nicht unmöglich

Zumindest die Inverkehrbringer von Kraftstoffen waschen derzeit noch ihre Hände in Unschuld, denn für sie gilt der Vertrauensschutz in die Zertifikate. Nur bei vorsätzlichem Handeln, also wenn sie hätten wissen müssen, dass die Zertifikate des ISCC falsch sind, könnten Sie zu Rechenschaft gezogen, bzw. zur Kasse gebeten werden. Dann müssten in logischer Konsequenz allerdings nicht nur die THG-Quote korrigiert werden, sondern auch die Nachhaltigkeitsberichte zahlreicher Unternehmen, die falsch zertifizierte, aus China stammende Energieträger aus angeblichen Rest- und Abfallstoffen für die unternehmenseigene Nachhaltigkeitsberichterstattung genutzt haben.

 

Kein Traktor mit Strom.

Auch wenn die politisch verursachten Probleme in der Branche einen breiten Raum in den Diskussionen am Rande der Konferenz einnahmen: Es gibt auch Positives zu berichten. Generell blieb der Eindruck aus einer Vielzahl fachrelevanter Vorträge, dass die Entwicklung von erneuerbaren Kraftstoffen weiter voranschreitet und die 1,3 Mrd. Fahrzeuge mit dem klassischen Verbrennungsmotor auch weiterhin antreiben wird, da die Ziele der Elektrifizierung des Verkehrssektors längst nicht in der Geschwindigkeit erreicht werden wird, wie es sich die Politik in ihrer Berliner und Brüsseler Blase so vorstellt. Und letztlich bestimmt ja nicht die Politik, ob sich jemand ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor anschafft, sondern immer noch der Fahrzeugkäufer selbst, der mit seinem mühsam verdienten Geld den Kaufpreis entrichtet. Die Vorstellung, einen Traktor mit Strom anzutreiben, sorgt bei den Landwirten nur noch für ein müdes Lächeln. 

Wolfgang Kröger

 

 

 


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